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Das Chronobiologische Gutachten zur Schulzeitgestaltung ist da!

Drei Chronobiologinnen erstellten im Auftrag der Ministerin ein wissenschaftliches Gutachten zum Schuljahresrhythmus in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Im Bericht sprechen sie zwei Empfehlungen aus: eine wissenschaftliche Begleitung des 7/2-Rhythmus der Französischen Gemeinschaft und eine ganzheitliche Betrachtung der Schulzeitgestaltung, die sowohl den Jahres- als auch den Tagesrhythmus der Lernenden berücksichtigt.

Das Gutachten umfasst:

  • Evidenzbasierte chronobiologische Empfehlungen zur Schulzeitgestaltung im Allgemeinen
  •  eine Kurzeinschätzung zur bestehenden Schulzeitgestaltung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens.

Im Rahmen dieser Analyse wurden u.a. die Auswirkungen des bestehenden und eines angepassten Schulrhythmus auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2,5 Jahren bis 21 Jahren untersucht.

Die Empfehlungen für die Deutschsprachige Gemeinschaft

Die Expertinnen schlussfolgern den Schuljahresrhythmus in der FG betreffend auf S. 45 ihres Berichts: „Die Kollegen Cavet und Testu weisen zwar in mehreren Artikeln [z.B. 55, 56], die in der Fédération Wallonie-Bruxelles als Quellen der Legitimation für die Schuljahresrhythmus-Umstellung angeführt werden, auf die Möglichkeit einer 7/2-Taktung hin, legen allerdings keine ausführlichen Daten und wissenschaftliche Begründung für eine 7/2-Taktung im Gegensatz zu einer beispielsweise 8/3 oder 6/1-Taktung vor. Testu selbst bemerkte in einem kürzlich erschienenen Interview [199] “Objectivement, cette formule 7/2, c’est ce qu’il y a de moins scientifique dans les recherches. […] Aus chronobiologischer Sicht sind uns jedoch keine wissenschaftlichen Theorien oder begutachtete Daten bekannt, die für oder gegen eine Einführung einer 7/2-Taktung sprächen. Daher wäre eine Evaluation dieses 7/2-Systems aus unserer Sicht dringend angeraten.“

Bildungsministerin Lydia Klinkenberg reagiert auf die Ergebnisse:

Die Expertinnen haben mir bestätigt, was ich bereits vermutet habe. Wenn wir über den Schuljahresrhythmus, also über die Neuverteilung der Ferienzeit sprechen, dann müssen wir auch den Tagesrhythmus, sprich Start und Ende des Schultages, mitdenken. Das macht das Vorhaben noch komplexer. Von großer Bedeutung ist für mich auch die Tatsache, dass die Expertinnen betonen, dass es keine wissenschaftliche Grundlage für die neue Schuljahrestaktung in der Französischen Gemeinschaft gibt und ausdrücklich anraten, eine solche Grundlage zu schaffen. Mit anderen Worten: Umstellung ja, aber nicht nur bei der Jahresgestaltung, sondern auch bei der Tagesgestaltung, und nicht unbedingt so, wie es in der Französischen Gemeinschaft praktiziert wird. Nun liegt es ja auf der Hand, dass wir – wenn wir den Schuljahresrhythmus umstellen – dies aus den bereits genannten Gründen nicht gänzlich unabhängig vom neuen Rhythmus unserer frankophonen Nachbarn tun sollten. Um zu vermeiden, dass wir in Belgien demnächst drei unterschiedliche Schulrhythmen haben, werde ich der Empfehlung der Forscherinnen folgen und den anderen Bildungsministern vorschlagen, den Rhythmus in der FG wissenschaftlich begleiten zu lassen. Ich hoffe, dass sie sich dazu bereit erklären, dies zu unterstützen“.

Hintergründe

Mit ihrer Entscheidung, den Rhythmus des Schuljahres anzupassen und auf sieben Wochen Unterricht zwei Wochen Ferien folgen zu lassen, stellte die Französische Gemeinschaft den Rest des Landes vor vollendete Tatsachen – mit weitreichenden Auswirkungen für viele Sektoren. Diese Umstellung hat bei Schulen, Lehrpersonen und Eltern mitunter organisatorische Schwierigkeiten verursacht. Wenn z. B. Kind 1 die Schule in Herbesthal oder St.Vith besucht und Kind 2 die Schule in Welkenraedt oder Malmedy, dann haben sie fortan unterschiedliche Ferienzeiten.

Auch für Personalmitglieder, die in beiden Gemeinschaften tätig sind, ist es nicht mehr so einfach möglich, in beiden Gemeinschaften zu unterrichten.

Da die Ministerin eine Lösung herbeiführen möchte und einer Umstellung offen gegenübersteht, sofern diese den Schülerinnen und Schülern nachweislich zugutekommt, beschäftigt man sich in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bereits seit geraumer Zeit im Rahmen der Erstellung der Vision für das Bildungssystem (Gesamtvision) mit der Frage, ob eine Anpassung des Schuljahresrhythmus sinnvoll und umsetzbar ist.

 

Die Ministerin hält fest:

Mir war und ist es wichtig, dieses Thema breit und ergebnisoffen zu diskutieren, bevor eine Entscheidung getroffen wird, da eine Umstellung weitreichende Folgen in zahlreichen Sektoren wie Freizeit, Jugend, Tourismus, Kinderbetreuung und Mobilität hat. Wir haben bereits 2019 in der großen Online-Umfrage ein repräsentatives Meinungsbild zur Schuljahrestaktung erhoben. Nachdem die Französische Gemeinschaft ihren Rhythmus angepasst hat, haben wir im vergangenen Jahr erneut in einer breiten Konzertierung über 70 Stellungnahmen von unterschiedlichen Akteuren wie Elternräten, Gewerkschaften und Vertretern aus Wirtschaft, Jugend, Sport und Kultur zu diesem Thema eingeholt. Die Ergebnisse waren jedoch nicht eindeutig, da viele Akteure angaben, die Sinnhaftigkeit der Umstellung nicht ausreichend beurteilen zu können. Da auch ich keine Chronobiologin bin, habe ich ein Gutachten in Auftrag gegeben.