Bildung ist nicht nur ein Grundrecht, sondern auch ein entscheidender Motor für den Fortschritt, die Entwicklung und das Wohlergehen einer Gesellschaft. Bildung ist der Schlüssel zur Verwirklichung des individuellen Potenzials jedes Einzelnen. Eine gut ausgebildete Bevölkerung ist die Basis für eine dynamische und innovative Gesellschaft, die in der Lage ist, den Herausforderungen der modernen Welt erfolgreich zu begegnen. Bildung spielt eine zentrale Rolle bei der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit.
Sie bietet allen Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem sozialen Status, die Möglichkeit, ihr Leben zu verbessern und ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Eine Gesellschaft, die in Bildung investiert und für eine hochwertige Bildung für alle sorgt, ist eine Gesellschaft, die auf Solidarität und Zusammenhalt basiert. Bildung ist auch ein unverzichtbares Instrument für wirtschaftlichen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Gut ausgebildete Arbeitskräfte sind der Motor für Innovation, Produktivität und nachhaltiges Wachstum.
Durch Bildung werden nicht nur Fachkräfte für die sich wandelnden Anforderungen des Arbeitsmarktes geschaffen, sondern auch kritische Denker, Problemlöser und kreative Köpfe, die neue Ideen und Lösungsansätze für die Herausforderungen von morgen hervorbringen. Neben den individuellen und wirtschaftlichen Vorteilen trägt Bildung auch wesentlich zur Stärkung der Demokratie und der Zivilgesellschaft bei. Eine informierte und gebildete Bürgerschaft ist besser in der Lage, informierte Entscheidungen zu treffen, politische Prozesse zu verstehen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Vor diesem Hintergrund führt die Bildungsministerin aus:
Damit unser Bildungssystem angesichts rasanter demografischer und technologischer Veränderungen auch in Zukunft in der Lage ist, diesem gesellschaftlichen Auftrag gerecht zu werden, sind eine Reihe von Anpassungen erforderlich. Es ist an der Zeit, dass wir mutige Schritte gehen, um sicherzustellen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die bestmögliche Förderung erhält. Es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass unser Bildungssystem gerecht, effizient und zukunftsorientiert ist. Dazu hat die Regierung in einem partizipativen Prozess die Bildungsvision 2040 „Meine Bildung. Meine Zukunft!“ und die darauf basierende Bildungsstrategie entwickelt. Sie bilden die Grundlagen für die Steuerung der künftigen bildungspolitischen Reformprozesse in Ostbelgien.
Die Ministerin appelliert an die Verantwortung und das Engagement aller Bildungsakteure: Die Bildungsstrategie umfasst sehr viele Maßnahmen, einige dienen der Weiterentwicklung bereits existierender Lösungsansätze. Andere stellen eine Neuerung im Vergleich zu dem dar, was bislang in Ostbelgien praktiziert wurde. Dazu gehören unter anderem die Einführung eines Sozialindexes im Sinne einer gerechteren Schulfinanzierung und Ressourcenverteilung, die Reformierung der Schulaufgabenpraxis, die Einführung eines Bildungsmonitorings und standardisierter Testungen sowie eines Arbeitszeitmodells für Lehrer, die Reformierung der Ernennungsregelungen, die Einführung von verpflichtenden Bildungsstandards für fächerübergreifende Kompetenzen der politisch-demokratischen Bildung, der Medienbildung und der sozial-emotionalen Entwicklung.
Im Sinne der Kinder und Jugendlichen müssen wir den Bildungsakteuren erforderliche Veränderungen zumuten, ohne sie dabei jedoch zu überfordern. Dieser Spagat ist nicht leicht. Wenn wir die ehrgeizigen Ziele – Chancengerechtigkeit erreichen, Wohlbefinden fördern, hohe Bildungsqualität sichern und zukunftsorientierte Kompetenzen fördern – erreichen wollen, brauchen wir auf allen Ebenen Offenheit, Flexibilität und Mut. Nicht umsonst sind das die Werte, auf die sich die Schlüsselakteure in der Bildungsvision geeinigt haben.
Diesen Mut brauchen aber nicht nur wir als politische Entscheidungsträger. Denn zur Realisierung der Vision ist neben entsprechenden Maßnahmen auch die Mitwirkung aller Bildungsakteure erforderlich. Dazu gehören unter anderem die Lernenden selbst, die Eltern, die Lehrenden, die Schulleitungen, die Schulträger, die Sozialpartner sowie Einrichtungen und Dienste, die für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, für die Lehreraus- und -weiterbildung und für die Bildungsqualität verantwortlich sind. Denn aufgrund der erhöhten Komplexität der gesellschaftlichen Herausforderungen muss der Wandel im Bildungssystem im Dialog mit allen betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen gestaltet werden.
Die Bildungsvision 2040 „Meine Bildung. Meine Zukunft!“
Die Regierung hat in einem mehrjährigen Entwicklungsprozess – mit Unterstützung externer Bildungsexperten und im Austausch mit allen Bildungsakteuren in Ostbelgien – Stärken, Herausforderungen und Potenziale des Bildungssystems analysiert. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse sind in Form einer „Bildungsvision” übergreifende Werte und Grundsätze definiert worden, die allen zukünftigen Bildungsstrategien, -reformen und -initiativen Richtung geben.
Die Regierung hat die „Bildungsvision 2040 – Meine Bildung. Meine Zukunft!” letztes Jahr gemeinsam mit Vertretern aus der Schlüsselakteursrunde der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Leitsatz der Vision lautet:
„Das Bildungswesen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gewährleistet für alle Lernenden eine qualitativ hochwertige und inklusive Bildung in einer Lernumgebung, in der sie ihren individuellen Bedürfnissen und Potenzialen entsprechend gefördert und gefordert werden, sich entfalten und wohlfühlen.“
Die Bildungsvision rückt somit die Bedürfnisse der Lernenden bei der zukünftigen Gestaltung des Bildungswesens stärker in den Mittelpunkt. Um die im Leitsatz formulierte Vision zu erreichen, definiert das Leitbild zum einen Werte, die das Handeln aller Bildungsakteure leiten, und zum anderen Grundsätze, die als strategische Ziele zu verstehen sind.
Mit Offenheit, Flexibilität und Mut möchten die Bildungsakteure bis 2040:
- Chancengerechtigkeit erreichen,
- die Kompetenzen, die Lernende für die Zukunft brauchen, fördern,
- das Wohlbefinden stärken und
- eine hohe Bildungsqualität sichern
Um diese Ziele zu erreichen hat die Bildungsministerin nun eine umfassende Bildungsstrategie vorgelegt. Am 29. April 2024 hinterlegte sie eine auf der Bildungsstrategie basiernde Orientierungsnote im Parlament, da die Bildungsstrategie am 2. Mai 2024 im Ausschuss III öffentlich diskutiert wird.
Die Bildungsstrategie
1. Ziel der Bildungsvision ist es, Chancengerechtigkeit zu erreichen.
Chancengerechtigkeit bedeutet, Benachteiligungen auszugleichen, sodass alle Lernenden die benötigte Förderung erhalten. Soziale Faktoren wie Einkommen oder kulturelle Zugehörigkeit sollten keinen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen haben.
Zur Förderung der Bildungsgerechtigkeit gehören insbesondere Maßnahmen zur Förderung der Inklusion, zu einer gerechteren Ressourcenverteilung und zur Reduzierung von Schulrückstand und Schulabbrüchen in unseren Bildungseinrichtungen.
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Mehr Inklusion
In den vergangenen Jahren wurden vermehrt Anstrengungen unternommen, um die Inklusion in der Bildung zu verbessern. Diese Anstrengungen müssen intensiviert werden. In Ostbelgien wird unter Inklusion meist die Inklusion von Menschen mit einer Beeinträchtigung verstanden, Inklusion umfasst jedoch auch die Inklusion von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen, sprachlichen und sozio-ökonomischen Hintergründen oder besonderen Begabungen.
Die Bildungsstrategie sieht unter anderem die Professionalisierung der Lehrenden vor. Angesichts zunehmend heterogener Lerngruppen sollen die diagnostischen Kompetenzen der Lehrenden gestärkt werden, damit sie die individuellen Lernbedürfnisse der Lernenden besser erkennen. Lehrende sollen außerdem befähigt werden, mithilfe geeigneter Differenzierungsmaßnahmen alle Lernenden – von den leistungsschwachen bis hin zu den leistungsstarken – gemäß ihren jeweiligen Potenzialen zu fördern. Darüber hinaus sieht die Strategie den verstärkten Einsatz von Förderteams, eine neue Ressourcenverteilung zur Förderung von Schülern mit besonderen Bedarfen und die verstärkte Vermittlung von Förderpädagogik in der Grundschullehrerausbildung vor.
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Gerechtere Schulfinanzierung
Die Deutschsprachige Gemeinschaft investiert laut OECD beachtliche Mittel in ihr Schulsystem, dieses bleibt aber in Bezug auf die Leistungsfähigkeit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die OECD kommt zu dem Schluss, dass angesichts der vergleichsweise großen Investitionen, die die Deutschsprachige Gemeinschaft in die Bildung tätigt, und der zahlreichen personellen Ressourcen, die sie zur Verfügung stellt, eine Ressourcenumverteilung, eine Veränderung der pädagogischen Praktiken und die Verbesserung der Lehrerausbildung dazu beitragen würden, die Leistungen der Lernenden zu steigern. Die leistungsfähigsten Schulsysteme in Europa weisen laut OECD geringere Investitionssummen pro Lernendem auf, als es bei uns der Fall ist. Die OECD empfiehlt daher eine effizientere Verteilung der Mittel innerhalb des Bildungssystems zur Verbesserung der Lernergebnisse. Sie weist darauf hin, dass die Mechanismen für die Zuteilung von Mitteln sozioökonomische Nachteile auf Schüler- oder Schulebene ausgleichen sollten. Zahlreiche Studien belegen den engen Zusammenhang von Lernerfolg und sozialer Herkunft.
Die Bildungsstrategie sieht unter anderem vor, dass die Schulfinanzierung reformiert wird, indem ein Sozialindex eingeführt wird, um zu ermöglichen, dass alle Lernenden im Sinne der Bildungsgerechtigkeit ihre Schullaufbahn möglichst erfolgreich beschreiten, unabhängig von ihrem kulturellen, ethnischen und sozio-ökonomischen Hintergrund. Durch die Einführung eines Sozialindexes sollen Schulen mit hohem Anteil an sozio-ökonomisch benachteiligten Lernenden neben der Basisabdeckung zusätzliche Ressourcen erhalten. Diese sollen sie ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend einsetzen können. Abhängig von den Herausforderungen, die sie zu bewältigen haben, sollen sie geeignete Fachkräfte einstellen können, das können neben Lehrern z.B. auch Erzieher und Sozialarbeiter sein. Zum bedarfsgerechten Einsatz der Ressourcen bedarf es im Sinne der Autonomie der Schulen daher einer Flexibilisierung des Stundenkapitals.
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Gerechtere Schulaufgabenpraxis
Um die Bildungsgerechtigkeit zu erhöhen, soll zudem die Schulaufgabenpraxis reformiert werden. Die OECD hat in ihrer Analyse festgestellt, dass es in Ostbelgien im Vergleich zu anderen Bildungssystemen eine besonders ausgeprägte Hausaufgabenkultur gibt. Sie bestätigte damit die Befunde der repräsentativen Umfrage, die VDI 2019 im Rahmen der Entwicklung der Bildungsvision durchführte und in der sich 57% der Teilnehmenden für zusätzliche Hausaufgabenbetreuungsangebote aussprachen. Die Forschung hat gezeigt, dass Hausaufgaben aufgrund der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen, die Kinder zu Hause vorfinden, die Bildungsgerechtigkeit beeinträchtigen können und deshalb gewisse Aufgaben in der Schule erledigt werden sollten. Durch das Erledigen der Aufgaben während der Schulzeit können Schulen sicherstellen, dass alle Schüler auf die gleichen Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen können und einen wesentlichen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten.
Mit der Schaffung einer dekretalen Grundlage zu den Schulaufgaben im Jahr 2023 wurden Rahmenvorgaben für die Erteilung von Schulaufgaben definiert. Diese Vorgaben basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Regeln unter anderem, welche Art von Aufgaben erteilt werden dürfen und in welchem Umfang, damit sie für die Lernenden gewinnbringend und zielführend sind. Sie sollen gewährleisten, dass Kinder altersgerecht und graduell zum selbstständigen Arbeiten befähigt werden, ohne dabei unter- oder überfordert zu werden.
Die Bildungsstrategie sieht vor, dass darüber hinaus schulinterne Betreuungsangebote für Schulaufgaben geschaffen werden. In den Primarschulen sollen die Schulaufgaben im Sinne der Bildungsgerechtigkeit vorrangig während der Schulzeit erledigt werden. Die kostenlose Schulaufgabenbetreuung erfolgt durch schulinternes, qualifiziertes Personal mit dem Ziel, den Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden und chancengerechte Bildung sicherzustellen. In den Sekundarschulen sollen insbesondere in den unteren Jahrgangsstufen kostenlose schulinterne Betreuungsangebote entwickelt, die außerhalb der Unterrichtszeit organisiert werden können.
Dass Schulen im Sinne der Bildungsgerechtigkeit das eigenverantwortliche Arbeiten der Schüler an Schulaufgaben in den Unterricht oder das schulische Angebot integrieren, bedeutet nicht, dass Schulaufgaben abgeschafft werden. Sie werden lediglich vermehrt, aber nicht ausschließlich, in der Schule erledigt.
Um den Dialog zwischen Schule und Elternhaus zu gewährleisten, sollen die Schulen den Eltern regelmäßig Feedback zur Kompetenzentwicklung der Lernenden geben und die Rückmeldung an die Eltern sowie Austauschmomente strukturell in der Schuljahresplanung verankern.
2. Ziel der Bildungsvision ist es, zukunftsorientierte Kompetenzen zu fördern.
Kinder und Jugendliche müssen befähigt werden, in einer zunehmend vernetzten und komplexen Gesellschaft im steten Wandel zu leben und zu arbeiten. Um verantwortungsbewusst und selbstbestimmt am Leben teilhaben und lebenslang lernen zu können, müssen sie sowohl Fachkompetenzen als auch überfachliche Kompetenzen erwerben. Zum einen müssen sie sich Grundkompetenzen wie Lesekompetenz, mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeit in der Bildungssprache und in den Fremdsprachen sowie mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen aneignen. Sie sind die Grundlage für weitere Lernprozesse. Zum anderen benötigen die Lernenden zunehmend überfachliche Kompetenzen wie Medienkompetenzen und politisch-demokratische Kompetenzen, Selbstkompetenz, sozial-emotionale Kompetenzen und zukunftsrelevante Schlüsselkompetenzen wie beispielsweise Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, kritisches Denken und Kreativität.
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Kompetenzförderung bei Lernenden
Um die Lernenden durch die Stärkung ihrer kognitiven, personalen und sozial-emotionalen Kompetenzen zu einem gelingenden Umgang mit den Anforderungen und Herausforderungen des Lebens zu befähigen, sieht die Bildungsstrategie unter anderem vor, dass die Bildungsstandards in den Rahmenplänen aktualisiert werden, indem unter anderem
- fachübergreifende Kompetenzen wie Medienkompetenzen, politisch-demokratische Kompetenzen, sozial-emotionale Kompetenzen und Schlüsselkompetenzen wie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, kritisches Denken und Kreativität – in die Fachrahmenpläne integriert werden und somit verpflichtend vermittelt werden müssen
- Grundkompetenzen, insbesondere die Lesekompetenz, verstärkt in den Rahmenplänen verankert werden.
Die Ministerin erklärt: „Um die Lernenden und die Lehrenden angesichts der Fülle der zu erwerbenden bzw. zu vermittelnden Kompetenzen nicht zu überfordern, wird bei der Überarbeitung der Rahmenpläne darauf geachtet, dass diese nicht überfrachtet werden. Die Bildungsstrategie sieht vor, dass da, wo neue Kompetenzen hinzugefügt werden, andere gestrichen werden. Es gilt also, die verschiedenen Kompetenzbereiche angemessen zu gewichten.“
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Professionalisierung der Lehrenden
Die Lehrenden wurden in ihrer Ausbildung oftmals nicht darauf vorbereitet, fachübergreifende Kompetenzen wie sozio-emotionale Kompetenzen, Medienkompetenzen, politisch-demokratische Kompetenzen sowie Schlüsselkompetenzen wie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, Kritikfähigkeit, kritisches Denken und Kreativität zu vermitteln.
Daher sieht die Bildungsstrategie unter anderem vor, dass die Lehrenden durch eine Reformierung der Lehreraus- und -weiterbildung besser zur Vermittlung der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen befähigt werden.
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Besondere Schwerpunkte in der Kompetenzförderung
1. Sprachförderung
Um Lernende zum lebenslangen Lernen zu befähigen, ist eine systematische Sprachförderung vom Kindergarten bis zum Ende der Sekundarschule sowohl in der Bildungssprache als auch in den Fremdsprachen erforderlich.
Durchgängige Sprachbildung trägt maßgeblich zur Verbesserung der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit bei. Denn bildungssprachliche Kompetenzen in der deutschen Sprache sind für alle Lernenden die wesentliche Voraussetzung für den Schulerfolg und für das lebenslange Lernen.
Neben der systematischen Förderung der Bildungssprache sind die verstärkte Förderung der ersten Fremdsprache Französisch vom Kindergarten bis zum Ende
der Sekundarschule sowie die Förderung der Fremdsprachen Englisch und Niederländisch wichtige Voraussetzungen für die gesellschaftliche Teilhabe der Lernenden und den Erfolg auf ihrem weiteren Bildungs- und Lebensweg im In- und Ausland. Die Förderung der Mehrsprachigkeit bleibt für das Bildungssystem der Deutschsprachigen Gemeinschaft von großer Bedeutung und wird künftig fortgeführt und intensiviert.Deshalb sieht die Bildungsstrategie unter anderem vor,
- dass die Lernzeit in der Fremdsprache erhöht wird, indem vermehrt Sachunterricht in der Fremdsprache erteilt wird. Integriertes Lernen von Inhalten und Sprache, also Fachunterricht in der Fremdsprache, ist laut Forschung und gemäß den Berichten der Universität Lüttich zu den DELF-Testungen eines der effizientesten Mittel zum Erwerb einer Fremdsprache.
- dass den Lernenden authentische und motivierende Lernsituationen geboten werden, indem Schulen regelmäßig Aktivitäten organisieren, bei denen die Lernenden im Kontakt mit (gleichaltrigen) Muttersprachlern ihre Sprachkompetenzen praktisch anwenden und erweitern können.
- dass der Anteil des Französischunterrichts und der Fremdsprachendidaktik in der Erstausbildung der Grundschullehrer erhöht wird, damit alle künftigen Absolventen des Lehramtsstudiums die Voraussetzungen erfüllen, einen qualitativ hochwertigen Französischunterricht bzw. sprachsensiblen Sachunterricht in der ersten Fremdsprache zu erteilen
- dass neben den Kompetenzen in der ersten Fremdsprache künftig auch die Kompetenzen der Lernenden in Englisch zweite Fremdsprache und Niederländisch dritte Fremdsprache verstärkt gefördert und regelmäßig standardisiert getestet werden.
2. Politisch-demokratische Bildung
Die politisch-demokratische Bildung ist eine gesamtsystemische Aufgabe aller Bildungseinrichtungen und aller Lehrenden. Politisch-demokratische Prozesse müssen nicht nur gelernt, sondern im Schulleben und in der Schulgemeinschaft gelebt werden. Die komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen erfordern eine ganzheitliche fachübergreifende Auseinandersetzung, damit sich die Lernenden aus unterschiedlichen Perspektiven mit den komplexen Themen auseinandersetzen. Zu den gesellschaftlichen Herausforderungen, die multiperspektivisch und interdisziplinär betrachtet werden müssen, gehören unter anderem Themen wie Nachhaltigkeit; Identität, Gesellschaft und Demokratie; innergesellschaftliche und internationale Konflikte; Sozialstruktur und soziale Ungleichheit; sozio-technischer Wandel und Digitalisierung; Ökonomie und Gesellschaft sowie Globalisierung und Migration. Die Kinder und Jugendlichen müssen diese gesellschaftlichen Herausforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven analysieren, sie miteinander in Bezug setzen und verstehen. Nur so können sie ein ganzheitliches Verständnis gewinnen und Lösungsansätze entwickeln.
Die Bildungsstrategie sieht daher vor,
- dass zum einen die Kompetenzen der politischen Bildung in die Fachrahmenpläne integriert und somit verpflichtend von allen Lehrern vermittelt werden müssen.
- die Sekundarschulen ermutigt werden, im Rahmen der angebotenen Studienrichtungen die bestehenden unterrichtsorganisatorischen Möglichkeiten zu nutzen, um zeitliche Freiräume – oder ein Fach – für politische Bildung zu schaffen.
- das Amt des Fachlehrers für politische Bildung zu schaffen.
Die Vermittlung von politischer Bildung muss auch bei der Einführung eines Faches in allen Fächern gefördert werden. Ein Fach kann ergänzend unterstützen. Auf keinen Fall aber können die anderen Lehrer aus der Verantwortung entlassen werden, in ihren Fachunterrichten diese Themen aus ihren jeweiligen Perspektiven zu beleuchten.
3. Medienbildung
Der digitale Wandel ist unaufhaltbar. Um in einer digitalisierten Welt erfolgreich leben und arbeiten zu können, müssen die Lernenden während ihrer schulischen Laufbahn die erforderlichen Medienkompetenzen erwerben. Der Erwerb der Informations- und Medienkompetenz und der digitalen Kompetenzen stellt eine grundlegende Voraussetzung für den akademischen und späteren beruflichen Erfolg der Lernenden dar. Es handelt sich um Schlüsselkompetenzen für eigenverantwortliches und eigenständiges lebenslanges Lernen und gesellschaftliche Teilhabe.
Die Vermittlung dieser Kompetenzen muss systematisch, durchgehend und in allen Fächern erfolgen. Daher sieht die Bildungsstrategie vor,
- dass die Medienkompetenzen in die Fachrahmenpläne integriert werden,
- dass die Lehrenden über die Lehreraus- und -weiterbildung darin unterstützt werden, sich die entsprechenden medienpädagogischen und digitalen Kompetenzen anzueignen, um die Medienkompetenzen der Lernenden zu fördern.
- und dass die Schulen mit digitaler Infrastruktur und digitalen Lernumgebungen ausgestattet werden.
Die Bildungsstrategie sieht zudem vor, dass das Potenzial der Künstlichen Intelligenz (KI) genutzt wird, um personalisierte und effektive Lernsituationen zu gestalten, die auf die Bedürfnisse und das Lerntempo jedes Einzelnen zugeschnitten sind.
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Optimierung der beruflichen (Aus-)Bildung
Ziel der Bildungsvision ist es, den Lernenden mit seinen Bedürfnissen ins Zentrum zu stellen.
Deshalb sollen die Qualität, Orientierung und Durchlässigkeit in der beruflichen (Aus-)Bildung optimiert werden.
Die Bildungsstrategie sieht in diesem Zusammenhang unter anderem vor, dass im Rahmen der Förderung der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen der Auszubildenden insbesondere die Französischkompetenzen verbessert werden. Im Sinne der bestmöglichen Förderung der Lernenden soll zudem die Möglichkeit geschaffen werden, gleichzeitig das Abitur und den Gesellenberief zu erlangen. So soll von den Bedarfen und Potenzialen der Jugendlichen aus gedacht werden und die Systemlogik überwunden werden. Gleichzeitig soll das Statut der Lehrer in der mittelständischen Ausbildung attraktiver gestaltet werden.
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Förderung des lebenslangen Lernens
In einer Zeit, in der sich die Lebens- und Arbeitswelt rasant verändert und Lebensläufe privat und beruflich nicht mehr linear verlaufen, ist lebenslanges Lernen wichtiger denn je. Immer häufiger verlagern Menschen ihren Lebensmittelpunkt oder wechseln den Arbeitsplatz, dadurch verändern sich ihre persönlichen und beruflichen Ziele und es entstehen Weiterbildungs- und Entwicklungsbedarfe.
Daher sieht die Bildungsstrategie vor, dass bedarfsorientierte Angebote zur beruflichen und sozialen Integration und persönlichen Weiterentwicklung für erwachsene Lernende geschaffen oder ausgebaut werden.
3. Ziel der Vision ist es, das Wohlbefinden der Lernenden und Lehrenden zu stärken
Bildung und Persönlichkeitsentwicklung können nur dann gelingen, wenn sich die Lernenden wohlfühlen. Deshalb muss zukünftig das körperliche und psychische Wohlbefinden der Lernenden und Lehrenden stärker gefördert werden. Hierzu bedarf es guter zwischenmenschlicher Beziehungen und optimaler Lern- und Arbeitsbedingungen im Schulalltag.
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Bauliche und digitale Infrastruktur
Moderne Schulbauten unterstützen das Wohlergehen der Lehrenden und Lernenden am Lern- und Lebensort Schule. Vor dem Hintergrund veränderter Lehr- und Lernmethoden, der Inklusion und der Digitalisierung sind neue Anforderungen an Schulinfrastrukturen entstanden. Die Bildungsstrategie sieht vor, dass den Bildungsakteuren ein zeitgemäßes bauliches Umfeld geboten wird, das den Anforderungen eines inklusiven und qualitativ hochwertigen Bildungswesens genügt.
Um den digitalen Wandel in der Bildung zu vollziehen und die Möglichkeiten, die durch die Digitalisierung entstehen, gewinnbringend und gezielt in die Lehr- und Lernprozesse an Schulen zu integrieren, sieht die Bildungsstrategie auch die Schaffung einer digitalen Infrastruktur mit einer leistungsfähigen IT-Ausstattung und einer zuverlässigen und sicheren IT-Umgebung vor.
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Demokratische und nachhaltige Schulentwicklung
Es bedarf mehr als nur moderner Schulbauten, damit Lernende und Lehrende sich wohlfühlen. Um das Wohlbefinden der Lehrenden und Lernenden am Lebensort Schule zu verbessern, ist zudem geplant, dass die demokratische, nachhaltige und gesundheitsfördernde Schulentwicklung gestärkt wird. Die Förderung des Wohlbefindens an Schulen ist eine wichtige Aufgabe, die alle Akteure in der Schule gemeinsam angehen müssen.
Eine demokratische und nachhaltige Schulkultur ist von wesentlicher Bedeutung für das Wohlbefinden, die Entwicklung eines politisch-demokratischen Bewusstseins und die Förderung nachhaltiger Handlungskompetenzen. Indem alle Beteiligten Mitsprache-, Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten erhalten, schafft eine solche Schulkultur eine Umgebung, in der soziale Anerkennung, Partizipation, Chancengerechtigkeit, Pluralismus, Toleranz, Nachhaltigkeit und das Aushandeln von Lösungen in Konfliktsituationen auf demokratische Weise gefördert werden. Die Schule als Ort des sozialen und partizipativen Lernens soll vermehrt die Beziehungs- und Teamfähigkeit der Lernenden und ihr Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Gemeinschaft fördern.
Die Bildungsstrategie sieht vor,
- dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten ausgebaut werden,
- dass umweltfreundliche Praktiken in Schulen entwickelt und nachhaltig in den Schulalltag integriert werden
- und dass die Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Eltern gefördert wird.
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Gesundheitsfördernde Schulentwicklung
Schulen sollen das Wohlergehen darüber hinaus durch eine salutogene, also gesundheitsfördernde Schulentwicklung gewährleisten. Denn Studien zeigen, dass Lernende, die sich in der Schule wohlfühlen, motivierter sind und bessere Leistungen erbringen. Insbesondere Stress und Angst können die Lernfähigkeit stark beeinträchtigen.
Um neben den schulischen Leistungen auch die physische, psychische und soziale Gesundheit und das Wohlbefinden von Lernenden und Lehrenden zu fördern, sieht die Bildungsstrategie unter anderem vor,
- dass die sozial-emotionalen Kompetenzen, die es zu fördern gilt, in die Rahmenpläne integriert und somit verpflichtend vermittelt werden,
- dass die Schulen schulinterne Konzepte zur gesunden Entwicklung der Lernenden erstellen und implementieren, die z.B. Kinderschutz-, Anti-Mobbing- und Suchtvorbeugungsmaßnahmen sowie Maßnahmen in den Bereichen Schülerteilhabe, Bewegung und gesunde Ernährung umfassen.
- und dass im Rahmen einer ganzheitlichen Gesundheitserziehung Aufklärungs-, Präventions- und Beratungsangebote für Kinder, Jugendliche, Lehrende und Eltern geschaffen oder ausgebaut werden. Durch Präventions- und Interventionskonzepte sollen unter anderem Gewalt, Mobbing und Schulangst vermieden werden. Unterstützung erhalten die Schulen durch den Dienst Kaleido, der künftig als Schulentwicklungsberatung im Gesundheitsbereich fungieren soll.
4. Ziel der Vision ist es, eine hohe Bildungsqualität zu sichern
Damit Bildung ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen kann, muss das Bildungssystem effektiv und effizient funktionieren und allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen bieten. Rechenschaftspflicht ist ein wichtiges Prinzip, um die Qualität und Gerechtigkeit in der Bildung zu verbessern.
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Bildungsmonitoring und datenbasierte Schulentwicklung
Bildungseinrichtungen müssen transparent darlegen, wie sie ihre Aufgaben erfüllen und welche Ergebnisse sie erzielen. Dadurch werden Schulen und Lehrpersonen dazu angehalten, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Rechenschaftspflicht trägt nicht nur zur Bildungsqualität bei, sondern erhöht auch die Transparenz und stärkt die Bildungsgerechtigkeit, indem sie dazu beiträgt, dass alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Chancen auf Bildung erhalten, unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem sozialen Status.
Dazu sieht die Bildungsstrategie neben der Definition von klaren Standards und Lernzielen in Form von Rahmenplänen vor, dass ein umfassendes Bildungsmonitoring eingeführt wird, das unter anderem standardisierte Tests beinhaltet, um den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler zu messen. Die Bildungsqualität soll zudem durch eine datenbasierte Schulentwicklung kontinuierlich verbessert werden.
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Stärkung der Schulleitungen und Lehrenden
Die Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen in der Bildung (Inklusion, Digitalisierung, Fachkräftemangel, zunehmende Heterogenität der Schülerschaft etc.) erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Engagement von Schulleitungen und Lehrenden, um auf die Bedürfnisse ihrer Schülerschaft einzugehen und die Qualität des Unterrichts zu verbessern.
Im Rahmen der Bildungsstrategie ist deshalb geplant, dass die Eigenverantwortung der Bildungsakteure gefördert wird, indem die Autonomie und die Rechenschaftspflicht der Schulen, die Führungskompetenzen der Schulleitungen und die Einbindung der Lehrenden in den kollektiven Schulentwicklungsprozess gestärkt werden.
Um die Verantwortung der Schulleitungen zu stärken, sollen diese unter anderem ein größeres Mitspracherecht bei der Personalanwerbung und Möglichkeiten zum kollegialen Austausch erhalten. Damit (angehende) Lehrende eine genaue Vorstellung von den Anforderungen an den Beruf und der damit verbundenen Verantwortung haben, werden ein Leitbild für den Lehrerberuf und Lehrerstandards ausgearbeitet. Auch ist eine Reformierung der Erstausbildung und der Berufseinstiegsphase der Grundschulpädagogen vorgesehen, um Berufseinsteiger auf die veränderten Anforderungen des Lehrerberufs vorzubereiten. Schließlich sollen sowohl Schulleitungen als auch Lehrende zur Wahrnehmung ihrer aktiven Rolle im dynamischen Schulentwicklungsprozess passgenaue Aus- und Weiterbildungsangebote erhalten.
Um den Lehrerberuf attraktiver zu machen und so die Bildungsqualität gewährleisten zu können, sollen die Gehälter für Inhaber eines Bachelordiploms bzw. eines Gesellen- und Meisterbriefs angehoben, das Dienstrecht modernisiert und die Ernennungsregelungen reformiert werden.
Um Lehrenden zu ermöglichen, ihren Auftrag wahrzunehmen, sind unter anderem eine Reformierung des Arbeitszeitmodells und Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens von Lehrenden erforderlich wie unter anderem die Etablierung flexibler Vertretungsmöglichkeiten.
Die Ministerin bedankt sich bei allen Mitwirkenden: „Zahlreiche Akteure waren in diesem partizipativen Prozess involviert. Ich möchte mich bei ihnen allen für die konstruktive Auseinandersetzung bedanken. Eine starke Bildung ist der Grundstein für die Entfaltung des Einzelnen, eine demokratische und nachhaltige Gesellschaft und eine prosperierende Wirtschaft. Ich freue mich darauf, gemeinsam die Herausforderungen anzugehen und die dringend erforderliche Bildungsreform, die wohl größte, die die ostbelgische Bildungslandschaft je gekannt hat, voranzutreiben, um unsere Kinder auf eine erfolgreiche Zukunft vorzubereiten. Ich wünsche uns allen die dafür notwendige Offenheit, die Flexibilität und den Mut, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen und freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit im Sinne der Optimierung der Gerechtigkeit, der Qualität und der Wirksamkeit unseres Bildungssystems.“